Unter der Lupe: Hexenverbrennungen

Der Glaube an Zauberei und Magie ist so alt wie Menschheit. Gefährlich wurden diese Vorstellungen jedoch nur dann, wenn sich Aberglauben, religiöser Wahn und schwere Krisen zu einem wahrhaft teuflischen Gemisch verbanden. Eine erschreckend große Zahl an vermeintlich unchristlichen Hexen (und deutlich weniger Hexer, misogyne Kirche sei Dank) wurden in drei definitiv unchristlicheren Verfolgungswellen barbarisch gefoltert und hingerichtet.

 

Ein kleiner Ausflug in eine historische Glanzstunde naiven Volksaberglaubens, menschlicher Abgründe und einem kollektiven Versagen der Justiz.


Begrifflichkeiten: Von Abweichlern und Teufelsbündlern

 

Zu Beginn ein paar Annäherungen an Begriffe, die sich während der Auseinandersetzung teils vermischen:

Häresie
Häretikerinnen/Häretiker
  • von gr. aíresis (= Auswahl) → grundlegende oder auf einen einzelnen Aspekt fokussierte Abweichung vom »wahren Glauben« (Irrlehre), Gegenbegriff zur Orthodoxie (Rechtgläubigkeit)
  • Vorläuferbegriff zur Ketzerei, v.a. in kirchlichen Kontexten mitunter mit abwertender Konnotation

Ketzerei

Ketzerinnen/Ketzer

  • deutsche Begrifflichkeit, ursprünglich synonym zum Begriff der Häresie gebraucht
  • Mittelalter: Wandel vom neutralen »Abweichler« zum negativ konnotierten »Teufelsbündler« → schmähender, abwertender Charakter
 Magie
Magierinnen/Magier
  • von gr. magía (= Zauberei), ab dem 16. Jh. im deutschen Sprachgebrauch
  • Beeinflussung von Menschen und Dingen durch übernatürliche Kräfte + entsprechendes Wissen
  • in Konflikt mit Naturwissenschaft, aber eigene Kunstform bzw. angewandte Wissenschaft
  • »weiße«, also z.B. heilende Magie nicht betroffen von Hexenprozessen
 Zauberei
Zauberinnen/Zauberer
  • entspricht »schwarzer«, also böser Magie mit dem Ziel, zu verletzen und zu schaden
  • magische Handlungen mit Hilfe von Dämonen o.Ä. → Mischen von Tränken, Schutz- und Abwehr- & Schadenszauber
Hexerei
Hexen/Hexer
  • juristischer Begriff ab dem 15. Jh. für Ausführende böser Magie (vor allem in Bezug auf Frauen)
  • Entstehung durch den Drang, Unverständliches erklären zu wollen (z.B. Unglück, Krankheit, Tod)
  • Begriff als Vermischung von magischen und religiösen Vorstellungen (Zauberei + Ketzerei = Hexerei)
    • Verhältnis und Betonung der Komponenten variiert im Laufe der Zeit
  • Hexen und Hexer als Teufelsanhänger
    • Merkmale: Pakt mit dem Teufel + Absonderung von Gott, Geschlechtsverkehr mit Teufel, Schadenszauber, Teilnahme am Hexensabbat (geheime Treffen aller Hexen)

Hexenglaube im Altertum

 

Der Glaube an Magie und Zauberei ist eine anthropologische Grundkonstante und von den Anfängen der Menschheit bis in die Jetztzeit hinein existent. In Babylonien und dem Ägyptischen Reich wurden »Zauberer« bestraft und an »Zwischenwesen« (Dämonen) geglaubt, die Germanen ließen in ihrer vorchristlichen Zeit  »Schadenszauberer« verbrennen und selbst die relativ rationalen Griechen hielten magische Handlungen für denkbar. Die Römer verzichteten auf eine gezielte Verfolgung, führten aber die Todesstrafe für das Wirken »negativer Zauber« ein. Das Christentum assimilierte auch diese heidnischen Vorstellungen im Alten Testament und verbot Zauberei ab dem 4. Jh. als »heidnisches Rudiment«, während die frühen Christen Zauberei noch für Einbildung gehalten hatten. 
397 n. Chr. formulierte der römische Bischof Augustinus (354-430) die sogenannte Dämonenpaktlehre, die besagte, dass Menschen mit Dämonen Nachwuchs zeugen könnten und magische Fähigkeiten nur über Interaktion mit dem Teufel bzw. Dämonen zu erlangen seien. Da der Teufel in der christlichen Lehre als personaler Widersacher Gottes fungiert, stellten seine Thesen Zauberkundige als feindlich gesinnte Abtrünnige dar. An dieser Stelle begann die weitreichende Vermischung von Elementen des Christentums (Teufelsglaube) und des Volksaberglaubens (Dämonologie, Zauberei).


Hexenglaube im Mittelalter (ab. dem 6. Jh.)

 

Die Kirche verneinte zu Beginn den Hexenglauben und bezeichnete ihn als »volkstümlichen Wahn«. Der einflussreiche katholische Philosoph und Kirchenlehrer Thomas von Aquin (1225-1274) erklärte im Jahr 1250 unter Bezugnahme auf Augustinus, dass Wahrsagerei und Aberglaube selbst bereits Teufelswerk seien. Er vermutete die Existenz eines organisierten »Dämonenstaates« mit vielen menschlichen Anhängern, was erstmals zur Verdächtigung einer kollektiven Gruppe anstatt einzelner Personen führte. Die (spätere) Verfolgung bzw. Sanktionierung war mit dieser Mischung aus Dämonenpaktlehre und Volksaberglaube theoretisch und aus christlichem Weltbild heraus vorbereitet. 

 

Zwischen dem  13. und 15. Jahrhundert übernahm die Kirche den Dämonenpakt als auch den noch immer verbreiteten Volksaberglauben und integrierte beide Elemente in die offizielle Lehre mit dem Ziel, letzteren endgültig auszurotten. Aus dem Häretiker, dem irrenden Abweichler, wurde während der Inquisition (lat. inquisitio = Untersuchung) endgültig der (zauberbegabte) Ketzer, welcher mit dem Teufel im Bunde stand. Die Inquisition diente vom 13.-18. Jh. als Instrument der Kirche,  Ketzer aufzuspüren, zu belehren oder zu verurteilen. Dennoch blieben die Zauberei-Tatbestände anfangs strafrechtliche Einzelfälle, Massenprozesse gab es noch keine. Die Thematik der Zauberei sowie die Umtriebe der Zauberkundigen sollten jedoch immer mehr in Fokus der Kirche rücken. In den Jahren von 1430-1440 kamen am Basler Konzil Hexentheoretiker aus ganz Europa zusammen, die den Verfolgungsbestrebungen neuen Auftrieb bescherten. Einige Jahre zuvor (1419) tauchte die Begrifflichkeit »hexerye« zum ersten Mal in einem schweizerischen Gerichtsverfahren auf.


Hexenverfolgung in der Frühen Neuzeit

 

Hexenverfolgungen umfassten das Aufspüren, Festnehmen, Foltern und Bestrafen von Personen, die vermeintlich Zauberei praktizierten bzw. mit dem Teufel unter einer Decke steckten. Im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation (HRR) gab es drei Verfolgungswellen (1590, 1630, 1660), die zusammengerechnet die größte Massentötung auf deutschem Boden nach dem Holocaust darstellen. Nichtsdestoweniger war die Hexenjagd ein europaweites Phänomen und wurde z.B. gleichfalls in Italien, Belgien, Frankreich und der Schweiz praktiziert. Die Verfolgungen fanden jedoch nie landesweit einheitlich statt, sondern konzentrierten sich zeitlich und räumlich in unterschiedlicher Weise.

 

a) Ursachen und Erklärungsversuche

Die Kirche bzw. Religion nahm in der Entstehung und Durchführung der Hexenverfolgungen eine insgesamt zwiespältige Rolle ein, wenngleich sie durchaus als treibende Kraft erscheint. Einerseits hielten viele Geistliche anschauliche Hexen-Predigten in den Kirchen und sorgten daher für eine Verbreitung des Gedankenguts in der Gesellschaft. Auch von hochoffizieller Seite erhielten die Verfolgungsbestrebungen theoretische Unterfütterung und Legitimation: Wirkungsmächtige geistliche Schriftsteller (wie Henrich Kramer) und sogar Papst Innozenz VIII. himself nährten den Hexenwahn mit ihren Schriften (s.u.). Außerdem war die Frauenfeindlichkeit (Misogynie) war von jeher kirchlich verankert und konnte in den Hexenprozessen neue, schändliche Blüten treiben. Mit der Inquisition fanden die Geistlichen weiterhin ein effektives und erprobtes Verfolgungsverfahren in ihren Reihen, welches sich von Ketzern leicht auf Hexen übertragen ließ, um »schwarze Schafe« gewaltsam aussortieren (Homogenisierung) oder auf den »richtigen Weg« bringen zu können (Sozialdisziplinierung). Andererseits erhob sich, vor allem aufgrund des unmenschlichen Prozessverfahrens (s.u.), großer innerkirchlicher Widerstand gegenüber den Hexenverfolgungen. Viele bekannte und einflussreiche Gegner derselben stammten ebenfalls aus den Reihen der Kirchen: Sie bevorzugten z.B. Buße und Abschwörung als Mittel der Bekehrung, anstatt mit Folter und Todesstrafe zu arbeiten.

 

Auch wenn die theoretischen Grundannahmen über das Wesen der »teuflischen« Hexerei von der Kirche in die Gesellschaft eingespeist wurde, konnten die Verfolgungen nur deshalb so ausarten, weil die Menschen sowieso schon immer an Magie geglaubt hatten (anthropologische Grundkonstante) und die Kirche ihre Ansichten lediglich bestätigten bzw. bestärkten. Dazu kamen die Umstände, eine Zeit des Wandels und der schweren Krisen: Eine »kleine Eiszeit« im 15. Jh. führte zu langfristigen Hungersnöten und Missernten, die Reformation und ihre anschließende Konfessionalisierung ließ bisherige Wahrheiten, Werte und Traditionen zerfallen, die ständigen Pestepidemien verlangten nach Sündenböcken. Eine unaufhörliche Bedrohung von außen durch das Osmanische Reich sowie Kriege im Inneren (z.B. Dreißigjähriger Krieg 1618-1648) sorgten für zusätzliche Ängste und eine Verschlechterung der Lebensbedingungen. Diese Begebenheiten weckten die niedersten Instinkte der Menschen, die im ständigen Überlebenskampf die Hexenverfolgung für eigene materielle und persönliche Motive zu nutzen wussten: Ungeliebte Mitmenschen konnten (z.B. aus Neid, Rachsucht oder Habgier) mit nur einer Anklage bequem aus dem Weg geräumt werden. Netter Nebeneffekt: Alle Denunzianten wurden am Besitz des jeweiligen Opfers (Land, Güter, Kinder) nach erfolgreicher Verurteilung bzw. Hinrichtung beteiligt. Die Bevölkerung radikalisierte sich, zeigte ein »erschreckendes Hasspotenzial«, machte auch vor eigenen Familienmitgliedern nicht länger Halt und verlangten Prozesse sogar gegen den Willen der Obrigkeit. Die Denunzianten vertraten die Ansicht, die Prozesse hätten »doppelten Nutzen«: Sowohl sie selbst (im persönlichen bzw. materiellen Sinne) als auch das Gemeinwohl könnten von der gewaltsamen Entfernung gefährlicher Hexen nur profitieren. Das Volk wurde regelrecht paranoid und befand sich in einem - wie passend - Teufelskreis: Weil über die Folter viele (falsche) Geständnisse produziert werden konnten, überzeugte dies immer größere Teile der Bevölkerung von der Existenz der Hexerei. Das wiederum resultierte in häufigeren Denunziationen aus der Gesellschaft heraus, die sich zu einem wichtigen Teil des Verfolgungsprozesses entwickelten und verselbstständigten. Teilweise klagten sich Personen jeglichen Standes in ihrem Hexenwahn sogar selbst an. Die Bevölkerung war nicht nur Opfer der Verfolgungen, sondern über ihre willkürlichen und zahlreichen Anklagen auch Täter und Triebfeder.

 

Jedoch sollte auch noch einen Blick auf die Rolle des Staates bzw. die Struktur der Herrschaften (Bistümer, Grafschaften, Herzogtümer etc.) geworfen werden, immerhin fanden die Prozesse zu einem großen Teil vor weltlichen Gerichten und Institutionen statt. Außerdem etablierte sich Magie und Zauberei auch im Strafrecht, während die Justiz als »Ausmerzungsinstrument« derselben fungieren sollte. Der Kaiser und die jeweiligen Landesherren waren sich über die Sinnhaftigkeit der Prozesse uneinig, eine prinzipielle Verurteilung der unmenschlichen Verfolgung gab es auf jeden Fall nicht. Oftmals trafen sie eigenwillige Entscheidungen oder orientierten sich an der (aufgeheizten) Stimmung der Bevölkerung. Besonders letzteres führte in kleineren Herrschaften zu einem unkontrollierbaren Wuchern des Hexenfanatismus, weil auch die staatlichen Kontrollinstanzen miserabel ausgestattet waren. Eine professionelle Justiz mit ausgebildeten und uneigennützigen Richtern hätte dem Hexenwahn Einhalt gebieten können. Besonders dramatische Auswüchse der Verfolgungen entwickelten sich hauptsächlich in den Ländereien, in denen viele hexengläubige Parteien (Bevölkerung, Amtspersonen, Geistliche, Landesherr) an einem fanatisch verblendeten Strang zogen. Während die Kirche also das Monster namens Hexerei auf theoretischer Ebene in die Köpfe der Bevölkerung gemeißelt und sie ideologisch vergiftet hatte, zeichneten sich vor allem die weltlichen Akteure verantwortlich für die Qualität und Quantität der Prozesse.

 

b) Grundlagenwerke der Hexenverfolgungen

1484 erschien die Hexenbulle, verfasst von Papst Innozenz VIII. und dem Inquisitor Henrich Kramer aus dem Dominikaner-Orden. Sie besagte, dass der mittlerweile weit verbreiteten Ketzerei durch Hexen mit einer strikten »Hexeninquisition« begegnet werden müsste. Als Erkennungszeichen vermeintlicher Hexen werden ihre Schadenszauber und ihr Geschlechtsverkehr mit dem Teufel genannt. Grundsätzlich stellte sie damit eine offizielle Legitimation der Verfolgung, Bestrafung und Inhaftierung von Hexen seitens der Kirche dar, auf die sich Hexenjäger später großzügig berufen werden sollten. Zur Wahrheit gehört jedoch auch: Von Hinrichtungen bzw. Verbrennungen verdächtiger Personen spricht die Hexenbulle nicht.

 

Nur drei Jahre (1487) später veröffentliche Henrich Kramer den Hexenhammer, der aus verschieden Ansichten diverser Theologen bzw. Hexenjägern die Notwendigkeit und die wünschenswerten Mechanismen einer systematische Hexenverfolgung ableitet. Kramer verschmolz dabei Aspekte des Teufelsglaubens mit Vorstellungen des Volksaberglaubens und goß sie in die strukturelle Schablone der Inquisition, die bereits bei der Ketzerverfolgung Früchte getragen hatte. Dazu rührte er ein paar Neuerungen: Frauen standen bei ihm aufgrund ihres vermeintlich geringeren Intellekts, ihrer leichten Verführbarkeit und ihrer ausgeprägten Sündhaftigkeit besonders im Fokus. Hexerei sei darüber hinaus ein besonders schlimmes »Ausnahmeverbrechen«, welches Folter in den Prozessen legitim mache. Das Ergebnis seiner kruden Thesen sollte 100-150 Jahre später das inoffizielle »Manifest« der Hexenjäger werden, die damit ihre Verfolgungen zu begründen versuchten. Obwohl Kramer clevererweise die Hexenbulle des Papstes quasi als »Vorwort« in sein Buch integrierte, erhielt das Werk jedoch weder von kirchlicher noch von weltlicher Seite offizielle Anerkennung. Seine propagandistischen Aussagen fraßen sich jedoch in das Bewusstsein der leicht beeinflussbaren und emotional aufgeladenen Menschen.

 

c) Rechtsprechung und Verfahren

Die Rechtsprechung der Hexenprozesse erfolgte theoretisch auf Grundlage der Constitutio Criminalis Carolina (CCC, 1532), dem ersten deutschen Strafgesetzbuch, welches das Recht im HRR vereinheitlichen sollte.  Das Delikt der Zauberei bzw. Hexerei blieb vage, weshalb prinzipiell jeder Bürger und jede Bürgerin verdächtigt werden konnte. Die CCC erlaubte Folter jedoch nur in Notfällen, Gottesurteile oder Hexenproben verneinte sie gänzlich. Zu Beginn mussten vermeintliche Zauberkundige daher lediglich für ihre Taten büßen und für den verursachten Schaden aufkommen. Da sich jedoch einerseits die Bevölkerung radikalisierte und andererseits die jeweiligen Landesherren ihre juristischen Befugnisse ausnutzten und sich nicht an die reichsweiten Vorgaben halten mochten, verschärfte sich die Bestrafung von Hexereivergehen. Die CCC und die übergeordnete Instanz des Reichskammergerichts blieben im Schatten individueller Herrschaftsjuristerei innerhalb des territorial zersplitterten Reiches, ein reichsweiter Kontrollmechanismus fehlte. Auch deshalb gründeten sich in Herrschaften ohne eigene Gerichte sogenannte »Hexenausschüsse«, deren »Volksjustiz« sich verselbstständigte und zu einem aggressiven Verfolgungsklima führte.

 

Die Hexenprozesse orientierten sich strukturell an den Inquisitionsverfahren, die auf Reichsebene umgesetzt wurden. Unter Berufung auf den Hexenhammer bildete sich jedoch eine unreglementierte, verschärfte Version des Verfahrens im Namen der Teufelsbekämpfung und der Ausrottung dieses »Ausnahmeverbrechens« heraus. Die Anklage erfolgte dabei im Sinne der Öffentlichkeit, mindestens zwei Zeugenaussagen galten als ausreichende Beweise. Sachbeweise waren nicht nötig (bzw. möglich), es blieb schwierig, Menschen der Hexerei zu überführen oder z.B. Schadenszauber nachzuweisen. Zum wichtigsten Element der Prozesse entwickelte sich daher das Geständnis, welches auch über Drohungen und Folter erwirkt werden durfte. Der Erfolg der Justiz lag dabei im Fokus, für »erfolgreiche Geständnisse« gingen die richtenden Parteien wortwörtlich über Leichen. Die Angeklagten sollten ihre Schuld eingestehen, Reue zeigen und bestenfalls Mitverschwörer verraten. Letzteres resultierte in regelrechten Sammel- bzw. Kettenprozessen.

 1. Anklage
  • Denunziationen (freiwillig) oder Besagungen (unter Folter)
  • Anklagen treffen häufig direkte Nachbarn bzw. Verwandte!

 2. Inhaftierung

  • in Türme oder Kellern
  • Entkleidung und Rasur (→ Suche nach dem »Hexenmal« als Erkennungszeichen)
3. Verhör 
  • gütliche Befragung (sehr detailliert, z.B. zum Geschlechtsverkehr mit dem Teufel)
  • Territion/abschreckende Befragung (unter Zeigen bzw. Anlagen von Folterinstrumenten)
  • peinliche Befragung (unter massiver und unreglementierter Folter)
4. Geständnis
  • hohe Geständnisquote aufgrund der Folter
 5. Besagung
  •  Vorstellung der Hexenjäger: alle Verschwörer kennen sich untereinander (z.B. Treffen am Hexensabbat)
  • hohe Besagungsquote aufgrund der Folter
 6. Verurteilung
  •  öffentlichkeitswirksame Zeremonie und Verkündung des Todesurteils
 7. Hinrichtung
  •  im Normalfall Scheiterhaufen, um Seele der Schuldigen zu reinigen

Das Verhältnis zwischen Inquisition und Hexenverfolgung

 

Die Kirche etablierte die Inquisition Anfang des 13. Jh. wegen »zunehmender Gefährdung des Glaubens« durch Häretiker bzw. Ketzer. Hexen blieben dabei unerwähnt und ihre Prozesse ordneten die Verantwortlichen den Ketzerprozessen unter, wobei sowohl Ketzer als auch Hexen per definitionem mit dem Teufel im Bunde gestanden hätten. Bis Ende des 18. Jh. war sie das Instrument der römisch-katholischen Kirche, diese Gefährder aufzuspüren, zu belehren oder zu verurteilen. Die Kirche beanspruchte hierbei das Recht für sich, die Verdachtsfälle eigenhändig zu untersuchen und Urteile zu fällen, während die systematischen Hexenprozesse trotz religiöser Unterfütterung grundlegend vor weltlichen Gerichten verhandelt wurden. Nur in der Frühphase der Hexenverfolgungen (13. Jh.) wurden einzelne Angeklagte von der Inquisition verurteilt bzw. bekehrt und Dominikaner, die sich ihrem Bruder Henrich Kramer nach Veröffentlichung der Hexenbulle nah fühlten, wirkten als Inquisitoren an den Verfolgungen mit. Die eigentliche Inquisition spielte bei den Hexenverfolgungen also keine maßgebliche Rolle, wenngleich sich der Ablauf des Prozesses (s.o.) sehr eng am Inquisitionsverfahren orientierte. Die Reformation senkte die Bedeutung der katholischen Institution ebenfalls, außerdem waren Hexenprozesse auch in protestantischen Gebieten üblich. Außerdem beendete die Kirche die Inquisition im Heiligen Römischen Reich offiziell bereits 1505, während die großen Verfolgungswellen erst zeitlich später folgen sollten.
In Spanien und Italien dagegen zeichnete sich die Inquisition für die Verfolgung möglicher Hexereidelikte verantwortlich, die Prozesse liefen jedoch deutlich fairer ab als im HRR und die Bekehrung der Angeklagten stand im Fokus. In beiden Ländern sprach sie sich im 15. Jh. (Spanien) bzw. im 16. Jh. (Italien) gegen die Verfolgung von Hexen aus.


Widerstand gegen die Hexenverfolgungen

 

a) Frühe Kritik (bis Mitte des 17. Jh.)

Viele weltliche und kirchliche Obrigkeiten wehrten sich gegen Kramers radikale Ansichten und bemängelten, dass ein Verständnis für den Teufelspakt in der Bevölkerung nicht existieren würde, was Anklagen rein aus niederen, persönlichen Gründen zur Folge hätte. Außerdem wurde spätestens seit der ersten Hochphase der Hexenverfolgungen (1589-1630) das Verfahren als unmenschlich und ungerecht gerügt, vor allem die Hexenproben waren dabei das Ziel der Kritik. Am zugrundeliegenden Hexen- bzw. Teufelsglauben wurde nicht gezweifelt, schon eher aber am Teufelspakt bzw. der »juristischen Ausnahmesituation«. Mediziner, Juristen und Philosophen übten »literarische Kritik« vor allem in protestantischen Gebieten, in katholischen Ländereien kam Widerspruch vor allem aus den Orden. Sie richteten ihre Aufmerksamkeit auf (offensichtliche) Ungereimtheiten: Wieso retteten sich Zauberkundige nicht mit Hilfe ihrer Zaubersprüche? Wäre der Teufel so bescheuert, seine Anhänger leicht sichtbar zu markieren (Hexenmal)? Warum sahen die Verdächtigen ihre Verfolgung nicht voraus, wenn sie doch über wahrsagerische Kräfte verfügten?

 

Besondere Bekanntheit erlangten folgende Vertreter der frühen Kritik:

Johannes Weyer (1563)
Arzt,(protestantisch) 
  • bezweifelt Möglichkeit des Teufelspaktes, aber Hexen = »unschuldige, verhexte Marionetten« des Teufels
  • Forderung nach »echten« Beweisen und Verzicht auf Hinrichtungen → Radikalität der Hexenverfolger
    selbst Werk des Teufels

 Adam Tanner (Ende 16. Jh.)

Jesuit (katholisch)

  • Ablehnung des »Ausnahmeverbrechens«, der Denunziation und der Besagungen
  • Geständnis unter Folter ≠ Beweis
 Friedrich von Spee (1631)
Jesuit (katholisch)
  • Folter = Bestrafung für unbewiesenes Verbrechen → »Folter macht Hexen«, menschengemachtes Problem
    • Delikt der Hexerei aber prinzipiell möglich
  • Schuld an den Hexenverfolgungen bei Landesherren, ihren Beamten sowie dem naiv-wahnsinnigen Volk
  • hatte bedeutenden Anteil an der Überwindung des Hexenwahns (z.B. Beendigung der Verfolgungen in Bremen)
  • Vorreiter der späteren Aufklärung (Kritik an Aberglauben und Autoritäten)

 

b) Kritik der Aufklärung (ab Ende des 17 Jh.)

Die Aufklärung war eine Geistesströmung, die VernunftLogik und religiöse Toleranz in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellte. Ausgehend von England und Frankreich resultierte aus der neuen Geisteshaltung die notwendige Säkularisierung Europas, ein nie gesehener Aufschwung der Wissenschaften und das Zurückdrängen des kirchlichen Einflusses. Dies hatte natürlich auch Auswirkungen auf die Beurteilung des Hexenwahns, der noch immer in einigen Teilen Europas grassierte.

Balthasar Bekker (1681)
Theologe (protestantisch)
  • Bestreiten der Existenz von Zauberei, Dämonen etc.
  • vergleicht Hexenlehre und Bibel → Fazit: Hexenglaube = »unchristlich« und ohne Grundlage

 Christian Thomasius (1701/1712)

Jurist (protestantisch)

  • bestätigt Existenz des Teufels, bestreitet aber Teufelspakt und Zauberei
  • Religion = Privatsache, Hexenverfolgung keine Aufgabe des Staates
  • Anknüpfen an von Spee: Humanisierung des Prozesses (z.B. Abschaffung der Folter)
  • Ansichten lösen Kontroversen & Entwicklungen aus
    • Verbot von Hexenprozessen durch preußischen König (1713)
    • Abschaffung der Folter in Bayern (1813)

Im HRR endeten die Verfolgungen zeitgleich zur Entstehung der Aufklärung (Ende 17. Jh.), in anderen Ländern sollten sie jedoch bis in die zweite Hälfte des 18. Jh. andauern. Die angestoßenen Veränderungen durch die aufklärerischen Denker führten zu einer Humanisierung der Strafprozesse und einem Sieg der Vernunft. Die Rechtspraxis sollte nun auf Beweisbarkeit fußen: Da Schadenszauber nicht nachgewiesen werden konnten, endeten die Wellen an (falschen) Beschuldigungen automatisch, obwohl die Bevölkerung sich damit nicht immer einverstanden zeigte. Die Hexenprozesse, die sich zum Inbegriff gerichtlich verübten Unrechts (»Justizmorde«) entwickelt hatten, waren damit abgeschafft. Zum Glück: Die Prozesse, die eigentlich zur Ausrottung von »unchristlichem Verhalten« ins Leben gerufen worden waren, hatten die Bevölkerung selbst zu äußerst »unchristlichem Verhalten« angestiftet und vielen unschuldigen Menschen das Leben gekostet.

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