Eine Liebeserklärung an den Print-Journalismus

Die analoge Ausgabe der Computer Bild Spiele stirbt – eine der langjährigen Instanzen im Bereich Videospieljournalismus auf Papier verabschiedet sich aufgrund stetig sinkender Absatzzahlen in die reine Digitalität.
Zeit, zurückzuschauen und  in Erinnerungen zu schwelgen, an Print-Medien aller Art – und Videospiel-Zeitschriften im Speziellen.

Was waren das noch für Zeiten – man informierte sich, völlig paradox, über dynamische Videospiele Mit Hilfe von starren Texten und analogen Screenshots in Zeitschriften. Man blieb so up-to-date, das Internet noch irrelevant, schmökerte in Tests und Hintergrundreportagen. Und, auch das spielte eine wichtige Rolle: Jede Ausgabe – zumindest die vieler bekannter Magazine – platzten aus allen Nähten vor Gratis-Content wie Demos, Vollversionen und Trailern. Ja, selbst Trailer rezipierte man damals per DVD, Youtube steckte da ja noch in den Kinderschuhen. Das war aber kein Problem: Denn jede Demo, jedes noch so kurze pixelige Video hatte zu dieser Zeit ein umso größeres Faszinationspotenzial.
In meinen vorangeschrittenen Kindertagen – denn auch in Sachen Videospiele galt ich als Spätzünder – zockte ich vor allem auf dem PC. Die Computer Bild Spiele, mit all ihrer Wucht aus viel Papier und massig Zockmaterial, entwickelte sie zu einem logischen Anlaufpunkt meines Interesses. Dabei machte ich den Kauf des Heftes aber zügig abhängig von den offerierten Vollversionen, da ich die Bewertungen, Tests und Artikel im Allgemeinen etwas weniger gelungen fand (vor allem layouttechnisch) als bei den etwas moderner wirkenden Mitbewerbern. So spielte sich nach und nach die PC Action in den Fokus, mit all seinem grenzdebil-brachialen Humor und genialen Bildunterschriften, die meine Zocker- und Amateur-Sprachjongleur-Augen zum Leuchten brachten.
Nach meinem Wechsel zu den Konsolen wechselte ich auch das Magazin – die GamePro hatte es mir nun angetan, vor allem auch die Tests auf DVD, die die geschriebenen Artikel optimal visuell ergänzten. Und nicht zu vergessen die TestChecks mit Henry – der Videospielegott habe ihn selig und ich hoffe, er sitzt nicht in der schwefeligen Davilex-Hölle –, in denen die größten Pixel-Gurken gekonnt verbal zu Brei gestampft wurden. Feinste Unterhaltung. Und darum ging es mir: Infotainment, ohne einen der beiden Bereiche zu vernachlässigen.

Dass viele der Videospielzeitschriften nun gar nicht mehr existieren, die ich damals so im Vorbeigehen, aber nie konstant gelesen hatte, ging vollkommen an mir vorbei, obwohl ich es dumpf im Hinterkopf erahnen konnte. Denn das große Print-Sterben trifft zwangsläufig auch die Videospielbranche. Aber so richtig Gedanken hatte ich mir nie darüber gemacht, die altehrwürdigen Magazine vollends im Schatten von digitalen Angeboten und Youtube. Sie spielen nur dann noch eine Rolle, wenn, längere Zugfahrten oder allgemein Reisen anstehen und man sich hierfür anmaßt, vom Thron der Gemütlichkeit zu steigen und zum Kiosk der Wahl zu rennen.

 

Obwohl ich immer noch weiß, was ich am Print-Journalismus schätze und habe – nämlich stilistisch einwandfreie und hochwertige Beiträge sowie ausführliche und komplexe Hintergrundanalysen – haben sich meine Rezeptionsweisen derart verändert, dass ich dennoch darauf verzichte(n kann). Ich habe beispielsweise immer viel lieber den Spiegel als Spiegel Online gelesen, mir dafür Zeit genommen und aufgrund des meines Erachtens charakteristischen Schreibstils nahezu jeden Beitrag verschlungen. Auch das schaffen bis heute nur Print-Erzeugnisse: Mich auch diejenigen Dinge lesen zu lassen, die über meine Interessensschwerpunkte hinausgehen. In der Kombination aus sachlicher Fundiertheit und angenehmer Leseschwierigkeit bringen sie mich dazu, über den Tellerrand hinauszuschauen.
Der digitale Alltag sieht dagegen ganz anders aus. Man hat keine Zeit mehr – oder nimmt man sich einfach keine Zeit mehr? – für langwierige Reportagen, es geht nur noch um Aktualität, News-Ticker in Echtzeit. Früher saß ich stundenlang mit einem kalten Getränk auf dem Balkon und blätterte, las, kicherte, hirnte... heute  erwische mich so häufig dabei, digitale geschriebene Beiträge zu überfliegen (trotz prinzipiellen Interesses!) – vielleicht auch aufgrund des Standardschreibstils, aber nicht nur – oder gar Youtube-Videos zu spulen, nur ausschnittweise zu rezipieren oder ruckzuck zu skippen. Alles nur noch zerfleddert, für die eigene Filterblase, schnell, kurz, flüchtig.
Ein Magazin wirklich durchzuackern – wobei es sich ja nicht nach Arbeit anfühlen darf – benötigt Zeit und Muße. Schnelle Klicks dagegen nicht. Und, ein weiterer, schwerwiegender Punkt: Mehr noch als früher kosten Print-Produkte richtig Geld. Bei über fünf Euro für eine Ausgabe des Spiegel überlege ich auch zweimal (obwohl es mir das wert sein müsste!) – und entscheide aufgrund des wöchentlichen Schwerpunktes beziehungsweise der Titelstory, falls ich nicht sowieso am Zeitschriftenregal vorbeihaste wie an einem Relikt aus einer anderen, altmodischen Zeit. Mensch, ich hätte gerne all mein Geld, welches ich für Pokémon- und Yu-Gi-Oh!-Karten verschwendet (?) habe, zurück, um den Verfall der hochwertigen Print-Journaille eigenhändig aufhalten zu können.
Noch ein einschneidender, kulturell etablierter Faktor: Bereits einen Tag nach des Erscheinungsdatums flüstert mir das digitale Gewissen hechelnd ins Ohr, dass alle Inhalte des Magazins ja schon obsolet sein können, schon nicht mehr aktuell, es gibt neue Entwicklungen, neues Personal, neue Infos, alles neu. Neuzeitliche Selbstgeißelung, immer mehr, immer schneller. Früher hatte ich mir darüber nie Gedanken gemacht. Es stimmt zwar, nimmt aber ganz viel Lust an der intensiven Auseinandersetzung.

 

Und überhaupt, wenn ich nur an Print-Produkte denke, huscht mir ein Lächeln über das Gesicht, obwohl ich selbst schon so lange keine mehr regelmäßig in den Händen halte. Alles nur Vergangenheit, all die Stunden mit der SportBild, der Freitagsausgabe der Süddeutschen Zeitung (inkl. des SZ-Magazins) oder... Büchern. Ja, auch Bücher finden immer seltener einen Platz im hektischen Dschungel des Alltags – oder bekommen weniger Raum zugesprochen? –, dabei finde ich sie so viel besser als E-Books und Konsorten, dieser Geruch von neuem oder altem, leicht gelblichem Papier, das stete Rascheln, die Haptik – und dabei so viel angenehmer für die Augen, ein ganz anderes Lese- und Lebensgefühl. Ähnlich wie bei Magazinen. Oder Zeitungen. Wobei... das Format finde ich wirklich viel zu sperrig, ausgeklappt benötigt die ja fast mehr Fläche als meine süße 2-Zimmer-Wohnung hergibt.

Ihr seht, meine Liebe zu Print ist keine echte Liebe mehr, auch wenn ich ihr hinterhertrauere. Ich erkenne die Vorzüge (an), aber dennoch verblassen sie in meiner Gunst. Ich verschmähe sie, ohne richtig zu wissen, warum. Eine Liebe, die eigentlich perfekt für einen ist, man sich aber dennoch nicht traut, sie anzusprechen, weil alle anderen sie bescheuert finden – denn gilt das Lesen von gedruckten Werken bereits als offiziell uncool? Und wenn es das wäre, sollte es mir nicht scheißegal sein?

 

Und... war das nun eine echte Liebeserklärung oder ein verklärender Abgesang? Ich bin mir nicht ganz sicher.

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