Hausarbeit: Sport an der Napola

Diese Arbeit möchte den Stellenwert des Sportes an Nationalpolitischen Lehranstalten aufzeigen, seine Intention und Umsetzung näher erläutern und einen Vergleich mit dem Film von Dennis Gansel ziehen.

1. Einleitung

Bereits in seinem Buch ‚Mein Kampf‘ bezeichnetet Adolf Hitler den Sport beziehungsweise die körperliche Ertüchtigung als ein „nationalsozialistischen Erziehungsideal“ – ganz im Widerspruch zu seiner eigenen körperlichen Verfassung. Nichtsdestoweniger richteten sich alle veröffentlichten Schriften und umgesetzten Programme, die den Sport betrafen, an den Sichtweisen und Leitlinien Hitlers. Seine von oben angeordnete und im ganzen Reich umzusetzende Leibeserziehung sollte zur Gesundheit des Volkes und einer kämpferischen Grundhaltung beitragen. In Kombination mit der Überhöhung der nordischen Rasse träumte er von einem starken und widerstandsfähigen blonden Übermenschen.[1] Noch vor der geistigen Weiterentwicklung eines Menschen stand demnach die Herausbildung eines gesunden, abgehärteten und uneingeschränkt leistungsfähigen Körpers. Die lebenslange Überwachung, Planung und Durchführung der körperlichen Ausbildung des Volkes galt sowohl als Recht als auch Pflicht eines völkischen Staates, gerade im Hinblick auf ein schlagkräftiges und tüchtiges Heer.[2]

Zu beobachten war die neu definierte Geltung des Sportes auch im nationalsozialistischen Schulwesen. Die zahlreich vorhandenen Aufschriebe ehemaliger Schüler der neu gegründeten Nationalpolitischen Lehranstalten, in denen „die Idee einer nationalsozialistischen Gemeinschaftserziehung Wirklichkeit werden sollte“[3], ermöglichen einen Blick hinter die theoretischen Vorgaben des Reiches. Der Film ‚Napola‘ schließt an diese Thematik an, knüpft den Verlauf der Geschichte an die Sportart Boxen und betont durch seine filmische Inszenierung die Allgegenwärtigkeit der körperlichen Schulung. Deshalb macht hier eine nähere Betrachtung Sinn.

 

Diese Arbeit möchte den Stellenwert des Sportes an Nationalpolitischen Lehranstalten aufzeigen, seine Intention und Umsetzung näher erläutern und einen Vergleich mit dem Film von Dennis Gansel ziehen. Dazu werden zunächst grundlegende Begrifflichkeiten geklärt, um die Rahmenbedingungen nachvollziehen zu können. Daraufhin wird der Fokus durch Augenzeugenberichte, die womöglich der wissenschaftlich-fundierten Aufarbeitung widersprechen können, und zahlreiche Sekundärliteratur auf den Sport(-unterricht) der Schulen gelenkt. Der Fokus liegt dabei - analog zum Film - hauptsächlich auf den männlichen Napola-Schülern, die Mädchenschulen bleiben außen vor. Schließlich wird diese theoretisch fundierte Basis als Schablone an den Film angelegt, um dessen historische Authentizität in dieser Thematik entsprechend nachzuweisen oder zu widerlegen.

 

2. Hauptteil

2.1 Grundlagen

2.1.1 Nationalpolitische Lehranstalt

Der im allgemeinen Sprachgebrauch und in dieser Arbeit verwendete Begriff Nationalpolitische Lehranstalt (Napola) und die offizielle Bezeichnung Nationalpolitische Erziehungsanstalt (NPEA) benennen die gleiche Art einer höheren Schule, die seit 1933 im Reich aufgebaut wurde und als Bildungsziel das Abitur vermittelte. Die Anstalten nahmen (männliche) Jugendliche ab dem 5. Schul-, also dem zehnten Lebensjahr, auf.[4] Im Unterschied zu den meisten Oberschulen definierten sie sich über eine stärkere Auslese (durch tagelange Aufnahmeprüfungen), eine härtere körperliche Ausbildung und den zyklischen Einsatz in Arbeitsstätten (z.B. Industrie, Landdienst).[5] Anfangs sollte das Abitur an Napolas unter anderem auch einen Führerschein und eine Handwerksausbildung beinhalten. Diese Überfrachtung diverser Kompetenzen ließ sich praktisch nicht umsetzen.[6]

Nach den ersten drei entstandenen Schulen 1933 und zahlreichen weiteren gegründeten Lehranstalten im gesamten großdeutschen Reich sollten ab dem Jahre 1941 jährlich zehn neue Einrichtungen eröffnet werden. Doch schon 1942 wurde diese Vorgabe mit nur drei Neugründungen stark untertroffen. 1944 existierten dreiunddreißig Napolas im Reichsgebiet, davon drei für Mädchen.[7] Im Jahr 1941 besuchten knapp 6000 Jugendliche eine Nationalpolitische Lehranstalt – eine geringe Anzahl, wenn man sie mit dem üblichen Schulsystem des Reiches vergleicht.[8]

Als Grundlage für die Aufnahme in einer Napola galten der Ariernachweis, gute Schulnoten, besondere sportliche Leistungen und männliche Charaktereigenschaften essentiell. Einkommen und Familie spielten offiziell keine Rolle, das zu bezahlende Schulgeld war überwiegend gering. Dennoch stellten Offiziers- und Beamtenkinder eine überrepräsentierte Gruppe dar.[9]

Diverse interne Bezeichnungen untermauerten den militärisch-gemeinschaftlichen Anstrich der Einrichtungen: So hießen die Schüler Jungmannen[10] und es gab Züge statt Klassen. Der Klassenlehrer wurde als Zugführer, der eingesetzte Klassensprecher als Jungmannzugführer und die Direktion (oft ehemalige SA- oder SS-Mitglieder) als Anstaltsleiter bezeichnet.[11]

 

Darüber hinaus lassen sich das Tragen von Uniform und das Internatsleben als prototypisch für Nationalpolitische Lehranstalten herausstellen. Sie fügten sich im nationalsozialistischen Schulwesen als vorbereitende Institutionen für die SS-Junkerschulen und die Ordensburgen ein. Der Abschluss an einer Napola erhob einen Jungmannen dementsprechend noch nicht zur Elite, ermöglichte ihm aber ein Studium oder den Rang eines höheren Beamten.[12] Nach mehreren Jahren an einer solchen Anstalt sollten die Schüler zu einem selbstlosen Handeln und Denken erzogen worden sein, welches sich vollständig nach der nationalsozialistischen Doktrin richtete. Die Verführung von jugendlichen, fähigen Menschen aus jeglichem Milieu zum Nationalsozialismus lässt sich als das Hauptziel der Napolas identifizieren.[13] Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Napola-Schüler eine in allen Bereichen essentielle Ausbildung erhielten, die der SA, der Wehrmacht und letztlich dem Reich zugutekommen sollte.[14]

 

Der Krieg beeinträchtigte den Unterrichtsalltag massiv. Ältere Schüler erhielten ihre Einberufung zur Wehrmacht, jüngere Zöglinge mussten zum Arbeitsdienst. Die Folge war eine starke Verringerung der Schülerzahl und eine erhöhte Militarisierung der Ausbildung.[15]

Neben den Nationalpolitischen Lehranstalten existierten weitere Formen von Ausleseschulen wie die Adolf-Hitler-Schulen oder die Reichsschule der NSDAP, die ihre Schüler auf Parteilinie brachten und für die Arbeit in der Partei ausbildeten.[16] Diese werden im Folgenden aber nicht behandelt. Auch auf die zahlreichen Besonderheiten und differenten Entwicklungen einzelner Napolas im Allgemeinen kann nicht eingegangen werden.

 

2.1.2 Leibeserziehung

Eine trennscharfe Unterscheidung der Begrifflichkeiten Sport und Leibesübungen ist trotz des nationalsozialistischen Einflusses im Rahmen dieser Arbeit nicht gänzlich möglich. Es lässt sich allerdings festhalten, dass Leibesübungen als eine geplante, „ganzheitliche Ausbildung der körperlichen Fähigkeiten“ angesehen wurden, während der Sport schlicht das Ausführen einer beliebigen Disziplin aus freien Stücken bezeichnete.[17]

Die in der Einleitung angerissenen pseudo-pädagogischen Ausführungen Hitlers wurden nicht hinterfragt, obwohl seine vorsätzliche Orientierung auf einen Krieg und sein starker Selektionsdrang schwerlich zu übersehen waren. Die jungen Männer etikettierte er teils als „Material“, das in all seiner Grausamkeit und Gewalttätigkeit die Welt erschrecken sollte. Schwache Jünglinge sollten konsequenterweise ausgesondert werden, um eine geschlossene Gruppe von vaterlandsliebenden, wehrhaften und heroischen Männern heranzuzüchten.[18]

Die mit der Ausrichtung und Programmatik der Leibeserziehung beauftragten Funktionäre lehnten ihre Veröffentlichungen inhaltlich und im Wortlaut an die Grundsätze Hitlers an. So etablierte Reichssportführer Hans von Tschammer die Kraft als eine Grundtugend der nationalsozialistischen Leibeserziehung, welche zur „Darstellung und als Stimulans eines potenzierten Kraftbewußsteins und einer rassisch-nationalen Kraftentfaltung“[19] führen sollte.

In den daraus entwickelten pädagogischen Ansätzen wurden politische, gesellschaftliche und kulturelle Aspekte vermengt. Eingeführte pädagogische Kategorien wie die Selbstlosigkeit deuteten auch hier auf einen Nutzen in Kriegszeiten an, die leibliche Ertüchtigung ging einher mit einem zukünftigen Einsatz im Heer.[20]

Unter dem nationalsozialistischen Banner galten freie und freiwillige Leibesübungen, die ohne nützliche Absicht praktiziert wurden, als Überreste aus einer liberalistischen und demokratischen Vergangenheit (Weimarer Republik) und waren daher abzulehnen. Sport sollte nicht aus Freude und Spaß betrieben werden, sondern fungierte als zusätzliches Mittel der Erziehung zu einem nationalsozialistisch-totalitären Weltbild und einer Steigerung der Zähigkeit.[21] Auch weitere Begrifflichkeiten und Wertevorstellungen vollzogen militärisch angehauchte Bedeutungsveränderungen: Sportmannschaften entwickelten sich nun immer mehr zu politisch ausgerichteten Männerbünden, die Begriffe Teamwork und Gemeinschaftsgefühl wurden zweckentfremdet. Als Ziele dieser verschärften körperlichen Ausbildung lassen sich Standhaftigkeit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit sowie rassische Hochwertigkeit nennen.[22]

 

Frauen und Mädchen waren von der Leibeserziehung insofern ausgeschlossen, als dass sie in der nationalsozialistischen Weltanschauung lediglich biologische Funktionen wahrzunehmen hatten. Im Sinne einer allumfassenden Gesundung des Volkes förderte der Staat eine körperliche Ertüchtigung der Frauen, meist belief sie sich aber auf vorbereitende Maßnahmen für ihre „geschlechtsgebundenen Aufgaben“.[23]

 

2.2 Sport in der Napola

Die nationalsozialistische Leibeserziehung war stark an den Pamphleten Adolf Hitlers orientiert. In ‚Mein Kampf‘ kritisierte er die geringe Anzahl an Stunden, die die schulischen Lehrpläne der körperlichen Ertüchtigung der Kinder und Jugendlichen beimaß. Er forderte eine Verringerung der „rein geistigen Ausbildung“ zugunsten eines erhöhten körperlichen Pensums.[24] Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Programme der NS-Ausleseschulen großen Wert auf den Sport in all seinen Facetten legten und die Leibeserziehung den Alltag im Vergleich zu sonstigen Unterrichtsfächer stark prägte. Geistige Qualitäten waren im Vergleich zu charakterlichen und körperlichen Merkmalen für den erlesenen Führernachwuchs als zweitrangig zu betrachten.[25] Zu beachten ist allerdings die Anmerkung Zempelins, dass die Noten in den Unterrichtsfächern dennoch enorm wichtig gewesen wären, da ausschließlich gute Sportleistungen nicht für eine Versetzung gereicht hätten. Das Ansehen eines Schülers sei aber hauptsächlich über das Sportliche bemessen worden.[26] Ein Großteil der Jugendlichen begeisterte sich so sehr für den Sport und die gebotenen Strukturen, dass sie eigenständig, ganz ohne leibeserzieherische Hintergedanken der Erwachsenen und frei von politischen Interessen, intensive Einheiten ansetzten und ihre wenige Freiheit nutzten, um weiteren Sport zu treiben.[27]

Das große Angebot an Disziplinen und Trainingsmöglichkeiten sollte den Jungmannen ihren privilegierten „Elite-Status“ bewusst machen und sie zu „weltfähigen Deutschen“ erziehen.[28] Die Sportlehrer wurden hierbei zum „Erzieher schlechthin“ stilisiert, er sollte „heldische Qualitäten“ zeigen und ein sittliches und körperliches Vorbild sein.[29]

 

Schneider et al. fassen zusammen, dass die Konstellation von Sieg und Niederlage im Spiel und Sport im späteren Leben auf den Krieg anwendbar sein sollte. Die schlagwortartige Formulierung „Wer gut im Sport ist, ist im Nationalsozialismus oben, und wer den Krieg gewinnt, hat recht“ bringt dieses Verhältnis von Drill und Spiel auf den Punkt und lässt die fehlende gedankliche Auseinandersetzung der Schüler mit Ungereimtheiten der Ideologie erkennen.[30]

 

2.2.1 Richtlinien

Die politisch eingefärbte Leibeserziehung stellte eine wichtige Komponente der nationalsozialistischen Gesamterziehung und –ausbildung dar. Dabei diente der Sport als Mittel, nicht als Zweck der Erziehung.[31] Ein eigens etabliertes Amt für körperliche Erziehung im Reichs- und Preußischen Ministerium unterstrich den Stellenwert, den das neustrukturierte Sportwesen genoss. Zahlreiche Zielvorgaben des Ministerium, die als Weiterentwicklung der oben beschriebenen Tugenden und Prinzipien des Sportes zu sehen sind, führt Bernett an: Leibeserziehung war zuallererst eine Gemeinschaftserziehung, die die Jugendlichen als Teil der Volksgemeinschaft heranzog und Kameradschaftsgeist förderte. Darüber hinaus stellte sich ein gesunder, durchtrainierter und einsatzbereiter Knabe in den Dienst der Rassenpflege. Als drittes nennt er die Wehrhaftigkeit, als viertes das Verantwortungsbewusstsein und die Ausbildung möglicher Führungsfähigkeiten.[32] Verantwortlich für die Leibeserziehung zeichnete sich der jeweilige Anstaltsleiter.[33]

Weitere Regelungen, die das Programm, die Funktionen und die Ausrichtung der Nationalpolitischen Lehranstalten betrafen, entwickelten die Behörden der einzelnen Länder (z.B. Württemberg, Sachsen). Eine einheitliche Organisation des Alltags und des Lehrbetriebes gab es dementsprechend nicht, die Fokussierung auf einzelne Sportarten blieb den einzelnen Anstalten und ihren Rahmenbedingungen überlassen.[34]

Üblicherweise praktizierten die Schulen einen täglichen Frühsport, einen grundlegenden Sportunterricht sowie nachmittäglichen „Dienstbetrieb“, der unter anderem Geländesport oder intensiviertes Training einiger Disziplinen beinhalten konnte.[35] An den meisten Sportarten musste sich obligatorisch beteiligt werden, nur wenige standen zur freiwilligen, vertiefenden Wahl.[36]

 

2.2.2 Frühsport

Montanus beschreibt in seinem autobiographischen Werk den Ablauf des Frühsportes in der Napola Rügen ziemlich vage: Das Wecksignal fungierte gleichzeitig als Aufforderung, die Turnkleidung anzulegen. Der komplette Zug versammelte sich anschließend im sogenannten Circus[37]. Danach folgte „Herumhopsen nach Anleitung im Trillerpfeifentakt“ und anschließend ein gemeinsamer Lauf um den desnselben.[38]

In der Napola Rottweil war es üblich, die Jungmannen vor dem Waschen und Frühstücken entweder auf einen Dauerlauf durch den Wald zu schicken oder mit ihnen appellartig gymnastische Übungen durchführen zu lassen.[39]

 

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Frühsport in den ansonsten ausführlichen Erinnerungen der ehemaligen Schüler oft überhaupt keine Erwähnung findet.[40] Prinzipiell wird der Frühsport meist als Bestandteil eines geregelten Tagesablaufes erwähnt, aber nur selten in aller Exaktheit wiedergegeben.

 

2.2.3 Geländesport und vormilitärische Ausbildung

Schon der Begriff steht stellvertretend für die Verklärung des Sports durch die Nationalsozialisten, schließlich verbanden sie hier körperliche Aktivität mit militärischer Ausbildung. Deshalb möchte Zempelin diese vormilitärische Ausbildung nur ungern zum Sport einer Napola rechnen, sondern zum Anstaltsdienst.[41] Da ein großer Teil dieser Pflicht körperliche Ertüchtigung beinhaltete, ist die Auflistung in dieser Arbeit dennoch gerechtfertigt.

Die Jugendlichen wurden bei diesen Übungen für den Kriegseinsatz vorbereitet, in dem sie lange Märsche zu bewältigen hatten, das Schießen und den Umgang mit Kompass und Karte übten, diverse Taktiken erprobten und ihr Instinktverhalten optimierten.[42] Versumpftes oder vereistes Terrain und das spontane, überraschend angekündigte Durchführen bei Nacht oder im tiefsten Winter sollte der zukünftigen Potenzialentfaltung der Jungmannen zusätzlich beisteuern.[43] Aber auch getrennt von Geländespielen ausgeführte physische Übungen wie „Kletter-, Balance- und Kriechakte“[44] mit Gepäck, die noch heute beim Militär zu finden sind, galten als Teil der Ausbildung.

 

Den Zusammenhang zwischen Leibes- und Wehrerziehung zeigen besonders die als „Manöver“ bezeichneten, im Schnitt alle zwei Jahre praktizierten Sommer- oder Herbstübungen. Die Schüler (der eigenen oder auch fremder Napolas[45]) wurden dabei in zwei verfeindete Teams (Manöver-Armee „Rot“ und „Blau“[46]) aufgeteilt, die sich gegenseitig ihrer „Lebensfäden“ an den Armen oder Mützen aus dem Gürtel berauben sollten, um zu gewinnen. Der übliche Geländesport ergänzte sich hier mit militärischen Aktivitäten und Kategorien wie eingeübten Feindbildern, Tarn- und Schleichtätigkeiten, Meldegang, Führungsqualitäten und Lagebeurteilung. Gelebt wurde während des Manövers in einem Zeltlager, das durch gemeinschaftliche Unternehmungen (Abende am Lagerfeuer, Märsche etc.) und widrige Bedingungen gekennzeichnet war.[47] Diese groß angelegten Planspiele verbanden alles, was der Krieg den Jungmann an Wissen, Können und Entschlossenheit abverlangte. Die Schüler sollten sich an ein strenges Regiment, einen straffen Tagesplan und an das Eingliedern in eine hierarchische Gruppe gewöhnen.[48]

Nach dem Manöver erhielt der vierte Zug der Napola Rügen eine Art Ehrenschwert, das den Übergang eines Knaben zum wehrhaften und –fähigen Jüngling symbolisieren sollte. Nicht umsonst schreibt Montanus, dass sich „die Jungmannen [bei diesen Unterfangen] dem Soldatsein am nächsten“ fühlten und beschreibt die mehrtägige Operation in aller Ausführlichkeit auf über dreißig Seiten.[49]Auch Vahl erinnert sich im Guten an die vormilitärischen Einsätze mit spielerischem Charakter und bekennt sich zu seinem Gefühl, sich dabei als „nützliches und gleichberechtigtes Mitglied [einer] großen Gruppe“ erlebt zu haben.[50] Andere bezeugen eine Steigerung des eigenen Selbstbewusstseins.[51]

Diese mitunter bis zu zweiwöchigen Geländeübungen, bei denen die Jungmannen durchgehend unter Strom standen, wurden auch zur Schulqualitätssicherung genutzt, indem hochrangige SA- und SS-Offizielle oder die Wehrmacht diesen beiwohnten. Dabei inspizierten und bewerteten sie sowohl die Ausrüstung, das Verhalten der Jünglinge als auch die sportlichen Wettkämpfe.[52]

 

2.2.4 Sportarten und Wettkämpfe

Hehlmann listet folgende Sportarten auf, auf die in einer Nationalpolitischen Lehranstalt zurückgegriffen wurden: Boxen, Fechten, Schwimmen, Rudern, Skilaufen, Reiten, Kraftfahren, Segelflug und Schießen.[53] Ergänzen lassen sich beispielsweise an der Napola Rottweil Geräte- und Bodenturnen, Handball und Fußball sowie Weitsprung und Läufe.[54] Die Rügener Napola bot darüber hinaus ein reichhaltiges Angebot in Bezug auf Wassersport und Bootsfahren an.[55] Ueberhorst, der die besondere Vielzahl der Disziplinen und die besonderen Leistungserwartungen im Vergleich zu anderen zeitgenössischen Oberschulen anmerkt, teilt die Leibesübungen anhand ihres Schwierigkeitsgrades in grundständige Sportarten (z.B. Schwimmen, Geländesport, Kampfspiele, Leichtathletik, Turnen) und weiterführende Sportarten (z.B. Boxen, Rudern, Reiten, Segelfliegen, Skilaufen bis hin zu Motorsport) ein.[56] Das die Fokussierung auf gewisse Disziplinen sich nach den Alters- beziehungsweise Klassenstufen richtete, ergänzt ein ehemaliger Schüler der Napola Oranienstein: Neben dem Standardprogramm (Leichtathletik, Handball, Schwimmen, Fußball und Turnen) konzentrierte sich beispielsweise die Klassenstufe 7 (Quarta) auf das Rudern, die Stufe 9 (Obertertia) auf das Reiten und die oberen Jahrgangsstufen betrieben zusätzliches Fechttraining.[57]

Besonderes Augenmerk des Sportunterrichts lag unabhängig der Disziplin auf der Fairness. Schwere Verletzungen oder falsche Schiedsrichterentscheidungen hätten einen Sieg wertlos gemacht.[58]

 

Wettkämpfe standen je nach Anstalt in unterschiedlichen Sportarten und zu verschiedener Jahreszeit auf dem Programm. Daher lassen sich unterschiedliche Angaben finden. Die zahlreichen sportlichen Wettkämpfe innerhalb und außerhalb der Anstalt Rottweil fanden zum Beispiel hauptsächlich in Disziplinen der Leichtathletik statt. Im Winter überwogen Turniere in Hallensportarten wie Turnen oder Handball.[59] Die Schüler der Napola Oranienstein nahmen dagegen an aljährlichen Reitturnieren in Montabaur teil.[60]

In Rügen war das jedes Jahr im Frühling stattfindende Geräteabschlussturnen, das „Abturnen“, von großer Bedeutung. Schon Wochen davor richteten die Verantwortlichen den Sportunterricht auf dieses Ereignis aus und ließen intensiv unterschiedlichste Turnübungen an Reck, Bock, Barren und Tauen trainieren. Jeder Zug wurde hierbei geschlossen bewertet, Einzelleistungen spielten dabei an sich keine Rolle. Ungenügendes Vorturnen schadete aber der Beurteilung des kompletten Zuges. Dieses Vorgehen ermöglichte einen unproblematischen Vergleich des Ausbildungsstandes mit den Lehrplänen und unterstützte den Sinn der Gemeinschaftserziehung.[61]

Im Allgemeinen sollte jeweils im Februar/März ein dreitägiges Wintersportfest veranstaltet werden, welche anhand sportlicher Wettkämpfe der fähigsten Jungmannen in den entsprechenden Disziplinen die beste Anstalt zu ermitteln hatten.[62] Andere Quellen sprechen von durchgeführten „Anstaltsmehrkämpfen und Reichssportwettkämpfen“[63], was darauf schließen lässt, dass vergleichende Wettbewerbe zwischen Napolas, aber auch einzelner Züge, oft und ausführlich praktiziert wurden. Die weitgefächerte sportliche Ausbildung der Jungmannen verhinderte aber gleichzeitig eine erfolgreiche Teilnahme an Reichs- oder Gebietsmeisterschaften, da sie gegen einen auf eine einzelne Disziplin trainierten und fokussierten Konkurrenten nur schwerlich gewinnen konnten.[64]

 

2.3 Darstellung im Film

Der 2004 erschienene Film ‚Napola – Elite für den Führer‘ und dessen Drehbuch wurden unter Mithilfe von zahlreichen historischen Beratern und ehemaliger Napola-Schüler erarbeitet. Als wichtige Inspirationsquellen für Plot und Szenerie gelten Uwe Lamprecht (ehemaliger Jungmann in Plön) und der in der Literatur aufgeführte Hans Günther Zempelin.[65] Er erhielt unter anderem den Deutschen Filmpreis für das beste Drehbuch und den Bayerischen Filmpreis für die Regie.

Der 115-minütige Film erzählt hauptsächlich die Geschichte zweier unterschiedlicher Napola-Jungmannen. Friedrich, aus einer Arbeiterfamilie stammend und optisch nah am arischen Idealbild, erhält durch Zufall nach einem Boxkampf die Chance, die Anstalt zu besuchen. Zu Beginn genießt er die Vorzüge der Einrichtung und verfällt entgegen den Warnungen seines Vaters dem nationalsozialistischen System. Freundschaft schließt er mit Albrecht, einem schmächtigen und literaturverliebten Jungen, der nur aufgrund seines Vaters, einem bekannten Gauleiter, an dieser Schule lernen darf. Diese beiden derart unterschiedlichen Jugendlichen erleben nun den harten Alltag einer Napola.[66]

 

Im Folgenden werden einzelne Szenen, die die Thematik Sport/Leibeserziehung behandeln, kurz erläutert und ihre historische Authentizität anhand der Erkenntnisse in Kapitel 2.2 beurteilt und gegebenenfalls mit weiteren Informationen aus der Literatur ergänzt.

 

2.3.1 Frühsport

Als eine Abwandlung des militärischen Appells wird im Film der Frühsport dargestellt. Üblicherweise wurden bei diesen regulären Versammlungen Informationen über den Tagesablauf mitgeteilt, die Truppe durchgezählt oder diverse Kontrollen an den Jungmannen durchgeführt.[67] Im Film dient der Appell als geschlossenes Auftreten eines Zugs, um gemeinsam unter strengem Regiment des Lehrers körperliche und gymnastische Übungen (z.B. Liegestütze) im Hof der Anstalt zu absolvieren. Dieses Vorgehen lässt sich ebenso in der Literatur finden, inklusive des sofortigen Anziehens der Turnkleidung und des gemeinsamen Heraustretens des Zuges nach dem Wecksignal. Als eine weitere im Film kurz thematisierte und dargestellte Sportart ist der Hochsprung zu nennen, der laut dem Sportlehrer „absolute Körperbeherrschung“ erfordere, aber nicht explizit in den Dokumentationen und der Sekundärliteratur verbürgt ist. Als Teil der Leichtathletik oder im Hinblick auf die Reichsjugendspiele kann der Hochsprung aber nicht als tatsächliche Disziplin ausgeschlossen werden.

 

Weiterhin nutzt der Lehrer diese morgendliche Routine, um einen Schüler namens Siegfried für sein wiederkehrendes Bettnässen zu sanktionieren. Dafür müssen alle weiteren Schüler solange ihre Übungen vollführen, bis Siegfried vor versammelter Truppe auf seine mitgebrachte Matratze urinieren kann. Die willkürliche, körperliche Schikane von Jungmannen, die Schwäche zeigten oder sich Unordentlichkeit nachweisen ließen, ist, wenn auch nicht in Zusammenhang mit dem Frühsport, belegt und nicht weiter überraschend.[68] Dennoch kreidet Müncheberg, selbst ehemaliger Napola-Schüler, dem Film an, dass dieser Schüler eigentlich untragbar gewesen und der Schule verwiesen worden wäre. Ferner bemängelt er das Fehlen eines Sportplatzes, denn der Frühsport aller Züge hätte niemals im Hof der Anlage durchgeführt werden können.[69] Montanus Aussagen vom Frühsport im Circus widersprechen dieser Ansicht wiederum teilweise (siehe 2.2.2).

Aufgrund der unzähligen Disziplinen und der hohen Bedeutung des Sports gehörten tatsächlich zahllose Übungsstätten zur Grundausstattung einer Napola. So wurden jeweils ein Sportplatz, eine Turnhalle, ein Schwimmbad, ein Reitplatz und ein Bootshaus als allgemeine Empfehlung aufgelistet.[70]

 

Der Film zeigt weiterhin eine ausgesprochen unmenschliche Variante des Frühsports im Winter. Die Schüler müssen hier unter der Eisdecke eines Sees entlang von einem Loch zum nächsten tauchen. Für den Film stellt die Szene eine gute Möglichkeit dar, einerseits die Verzweiflung als auch den blinden Eifer einzelner Schüler zu übermitteln. Albrecht, ein Schüler, der mit den menschenfeindlichen Ansichten des Nationalsozialismus hadert, nutzt diese Gelegenheit, um sich zu ertränken. Von derartigen Suiziden ist in der Literatur nichts auffindbar. Eine derart drakonische Abwandlung der Schwimmstunde ist zwar ebenso nicht ausdrücklich belegt, durch den hohen Stellenwert des Schwimmens in der Ausbildung aber nicht unrealistisch. Ab dem 10. Lebensjahr sollten Schüler - unabhängig von NS-Ausleseschulen - Schwimmübungen absolvieren, um eine Gewöhnung an die Kälte des Wassers zu errreichen und die Atemmuskeln zu stärken.[71] Schwierige Tauchübungen in unruhigen Gewässern und/oder bei nasskaltem Wetter lassen sich beispielsweise bei Montanus finden.[72] In der Napola Schulpforta fand jeden Mittwoch eine Schwimmstunde statt, die deshalb makaber war, da auch die Nichtschwimmer daran teilnehmen mussten. Ein gewagter Sprung ins Wasser, der den Mut der meist jüngeren Schüler beweisen sollte, war Pflicht. Daraufhin retteten ältere Jungmannen die vor dem Ertrinken stehenden Neuzugänge. Diese Prozedur wurde sogar schon während der Aufnahmeprüfungen angewandt.[73] Folgerichtig entstand daraus bei einzelnen Schülern eine begründete Furcht vor den Schwimmeinheiten.[74] Die erschütternden Berichte zeigen, dass die benannte Szene eine filmisch gut um- und einsatzbare Variante des durchaus harten Schwimmtrainings in Napolas darstellt, aber keine zwingend authentische Darbietung ist.

 

2.3.2 Geländesport und vormilitärische Ausbildung

Der Film zeigt hierzu nur kurze Sequenzen. Dabei wird eine Art erste Flugausbildung gezeigt, bei denen die Schüler erste Flugversuche mit dem nicht-motorisierten Schulgleiter SG38 unternehmen. Vahl beschreibt die Segelflugstunden an der Napola Schulpforta für die älteren Jungmannen vergleichbar: Das Segelflugzeug wurde an Seilen von zig Schülern beschleunigt und stabilisiert, sodass es nach dem Ende der Hügelkuppe mehrere Meter gleiten konnte.[75]

Zusätzlich werden in einzelnen Filmszenen das richtige und effektive Werfen von Handgranaten sowie das Schießen mit dem Gewehr geübt. All dies lässt sich durch die Literatur stützen.[76]

 

Ein besonderer Einsatz, der über den normalen Geländesport hinausgeht, aber die trainierten Verhaltensweisen im Ernstfall erprobt, wird den Jungmannen gegen Ende aufgebürdert: Russische Kriegsgefangene sollen in ein nahegelegenes Waldstück entflohen sein, die Verfolgung der Flüchtigen dürfen die Schüler übernehmen. Dabei müssen sie taktisch und gezielt vorgehen, in kleinen Gruppen agieren sowie die Entflohenen aufspüren und erschießen. Die Dunkelheit der Nacht, die Kälte und das unbekannte Waldgebiet erschweren die Mission zusätzlich. Erst nach der Überwältigung der Flüchtigen bemerken die Schüler, dass es sich um unbewaffnete Kinder handelte. Die Vermengung von Leibeserziehung und Wehrerziehung wird in diesen Szenen gut dargestellt. Auch die kurzfristige und zeitnahe Verwendung einzelner Jungmannen im Kriegsgeschehen wird so angedeutet.

Eine gewisse Ähnlichkeit zu den nächtlichen Manövern und Geländeübungen lässt sich zwar nicht abstreiten, eine derartige Vortäuschung falscher Tatsachen durch die Anstaltsleitung, das Fehlen des spielerischen Charakters und die unübliche Bekämpfung „echter, lebender Kontrahenten“ statt der Aufteilung einzelner Züge in feindlich gesinnte Mannschaften dieser kriegsvorbereitenden Maßnahme lässt sich aber historisch nicht nachweisen. Im Film dient dieser Erzählabschnitt hauptsächlich dazu, den Entschluss Albrechts zu festigen und die Unmenschlichkeit sowie Gewissenlosigkeit des Nazi-Regimes aufzuzeigen. Exkludieren lässt sich ein solches Vorgehen aber wohl nicht. Erwähnt wird nämlich eine sogenannte „Reifeprüfung“ 1945 an der Napola Spandau, die als Ersatz zur Abiturprüfung gedacht war: Ein „Langstreckenlauf mit Gepäck und scharfer Munition“ über zweihundertfünfzig Kilometer im Kriegsgebiet, bei dem sich die Jungmannen schwertaten, da ihre gewohnten Spielregeln der Geländespiele und Manöver nicht mehr galten und die Ausrüstung und Hilfsgegenstände andere waren.[77] Hier musste der spielerische Lehrbetrieb im Verhältnis zum erstmaligen Einsatz in realer Gefechtssituation ähnlich wie im Film zurückstecken. Zusätzlich wurden Jungmannen, meist die Ältesten, kurz vor Ende des Krieges in den sogenannten Volkssturm integriert, um die Wehrmacht zu unterstützen. Kontakt mit russischen Kriegsgefangenen erwähnt ansonsten nur Nayhauß-Cormons, der die unmenschliche Behandlung dieser wahrnahm, als er und sein Zug zur Unterstützung einer Marineflak abkommandiert worden waren.[78]

 

2.3.3 Boxen

Durch sein Boxtalent, welches er an einem Wettkampf mit Napola-Schülern offenbart, erhält der 17-jährige Protagonist Friedrich ebenfalls die Möglichkeit, eine Nationalpolitische Lehranstalt zu besuchen. Das Boxen ist somit seine Eintrittskarte in die Welt der zukünftigen Elite(n) und seine persönliche Chance auf eine aussichtsreiche Karriere. Schon hier kritisieren Autoren wie Müncheberg, dass viele historische Ungereimtheiten den Beginn des Filmes belasten würden. So behauptet er zum Beispiel, dass ein 17-jähriger ohne Berufsschulausbildung, Lehrvertrag oder Einbindung in die Hitler-Jugend in Nazi-Deutschland nicht denkbar gewesen wäre. Zusätzlich beklagt er, dass die Boxstaffel einer Napola niemals gegen einen zivilen Boxverein (falls ein solcher überhaupt noch erfolgreich existieren konnte) angetreten wäre.[79] Unterstützt wird er in dieser These durch Ueberhorst, der ausschließlich Gebietswettkämpfe der HJ oder Vergleichswettkämpfe zwischen verschiedenen Napolas erwähnt.[80]

Friedrich erhält auch in der Napola regelmäßiges Boxtraining. Dabei wird von ihm abverlangt, „alles Menschliche aus sich zu tilgen“ und sein „anerzogenes Mitleid“ zu verdrängen. Tatsächlich besaß das Boxen in einigen Kreisen des Reiches, gerade beim Bildungsbürgertum und bei verantwortlichen Lehrern, die eine Verrohung der Jugend fürchteten, einen anfangs eher schlechten Ruf.[81] In manchen Napolas war Boxen nicht Teil der grundlegenden Disziplinen und wurde beispielsweise nur bei Landheimaufenthalten in Grundzügen eingeführt.[82] Tatsache ist auch, dass aufgrund Lehrermangels zu Kriegszeiten beispielsweise das Boxtraining in der Napola Orianienstein vom Stundenplan gestrichen wurde, bei den Aufnahmeprüfungen hingegen Voraussetzung war.[83]

 

Hitler unterstrich die herausragenden Eigenarten der Sportart wie die Förderung des Angriffsgeistes, die blitzschnellen Entscheidungen, die athletischen Bewegungen sowie der ergiebige Umgang mit erlittenen Schlägen.[84]

Boxen verband alle positiven Auswirkungen, die sich Hitler von einer durchstrukturierten Leibes- und Wehrerziehung des Volkes versprach. Der seiner Meinung nach ehrenhafte und faire Faustkampf etablierte sich als beliebte Sportart an den Napolas und spielte größtenteils eine wichtige Rolle. Der gepriesene Fairnessgedanke vermischte sich hier, wie in den Aussagen des Boxlehrers ersichtlich, mit „nationalsozialistischer Menschenformung“[85]. Das darüber hinaus aber drei Wendepunkte des Films durch Boxkämpfe eingeleitet werden, ist der cineastischen Dramaturgie und weniger der geschichtlichen Korrektheit geschuldet, auch wenn sportliche Wettkämpfe in den Napolas i. Allg. eine bedeutende Rolle spielten.[86]

Der an keine reale Person angelegte Boxtrainer war früher selbst aktiv und vermisst die Zeiten, als „seine Napola“ die beste in dieser Disziplin war. Diese Konkurrenzsituation der einzelnen Anstalten untereinander und deren zahlreiche Vergleichswettbewerbe sind historisch belegt. Lehrer mit eigener erfolgreicher Vergangenheit sind ebenfalls kein fiktives Element. Beispielsweise arbeiteten in der Napola Spandau sowohl der Europameister im Boxen als auch der Olympia-Goldgewinner im Speerwerfen als Sportlehrer.[87] Auch der ranghohe Besuch bei großangelegten Sportereignissen, wie den Boxturnieren der Napola im Film, ist nachweisbar. So wohnten beispielsweise in Rügen die Anstaltsleitung, sämtliche Lehrer, Bedienstete, diverse Direktoren und intellektuelle Redner des Reiches dem „Abturnen“ bei.[88]

 

Allerdings ist das Einzel- bzw. Privattraining, welches Friedrich in einem glänzend ausgestatteten Trainingsraum erfährt, eher unwahrscheinlich. Zum einen, weil die Gemeinschaftserziehung jeglichen Teil der Ausbildung einer Napola durchzog. Zum anderen, weil eine Schule, die eine derart auf den Boxsport ausgerichtete Einrichtung aufwies, sicherlich eine Vielzahl von begabten und motivierten Boxern beheimatet hätte, an deren Leistungsniveau ein Neuankömmling erst einmal hätte herankommen müssen.

 

3. Schluss

Die Leibeserziehung wurde durch den Nationalsozialismus mit einer politischen Botschaft durchtränkt und zu einem wichtigen pädagogischen Element zur Steigerung der Wehrhaftigkeit. Vorläufiger Höhepunkt des stilisierten und politisierten Sports im Dritten Reich war die Selbst- und Masseninszenierung des Regimes bei den Olympischen Spielen in Berlin 1936, dessen „olympische Ideale von der Gleichheit und der Völker der Rassen“[89] eigentlich im Gegensatz zum nationalsozialistischen Weltbild standen.

Die Darstellung des Sportunterrichts bzw. der Leibeserziehung im Film gelingt meist nicht über historisch überprüfbare und exakte Szenen, sondern durch an die Dramaturgie und/oder Inszenierung angepasste Abschnitte, die Erlebnisse von ehemaligen Schülern ähneln oder prinzipiell in der Realität vorstellbar gewesen wären. Trotz vielerlei kleiner Ungereimtheiten oder Übertreibungen kann der Film in dieser Hinsicht als authentisch gelten, wenn man die Bedürfnisse und Regeln von Kinofilmen berücksichtigt. Den Wert einer Dokumentation will und kann der Film nicht erreichen, da er seine Inspiration letztendlich wenigen subjektiven Erfahrungsberichten verdankt.

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[1] Bernett, Nationalsozialistische Leibeserziehung, S. 18ff.

[2] Hitler, Mein Kampf, S. 451ff. (zit. n. Bernett, S. 24)

[3] Haupt, Neuordnung im Schulwesen, S. 24f. (zit. n. Ueberhorst, S. 45)

[4] Weyrich, Napola, S. 33

[5] Schneider, Das Erbe der Napola, S. 35-37

[6] Weyrich, Napola, S. 34

[7] Ebd., S. 33

[8] Fröhlich, Die drei Typen, S. 245

[9] Ueberhorst, Elite für die Diktatur, S.39f., 77f.

[10] Dennoch wird in der folgenden Arbeit der Begriff „Schüler“ eingesetzt.

[11] Ueberhorst, Elite für die Diktatur, S. 39ff.

[12] Bronner, Napola Rottweil, S. 9f.

[13] Zempelin, Des Teufels Kadett, S. 15

[14] Fröhlich, Die drei Typen, S. 251

[15] Ueberhorst, Elite für die Diktatur, S. 375ff.

[16] Schneider, Das Erbe der Napola, S. 33

[17] Zürker, Nationalsozialistische Leibeserziehung, S. 7

[18] Bernett, Nationalsozialistische Leibeserziehung, S. 25f.

[19] Ebd., S. 54

[20] Ristau, Sport und Sportmedizin, S. 42-45

[21] Ueberhorst, Elite für die Diktatur, S. 238

[22] Bernett, Nationalsozialistische Leibeserziehung, S. 63, 69

[23] Bernett, Nationalsozialistische Leibeserziehung, S. 74

[24] Hitler, Mein Kampf, S. 451ff. (zit. n. Bernett, Nationalsozialistische Leibeserziehung, S. 22)

[25] Ueberhorst, Elite für die Diktatur, S. 237

[26] Zempelin, Des Teufels Kadett, S. 101-104

[27] Zum Beispiel Nayhauß-Cormons, Vom Mord der Nazis, S. 203f.

[28] Fröhlich, Die drei Typen, S. 251

[29] Bernett, Nationalsozialistische Leibeserziehung, S. 99f.

[30] Schneider, Das Erbe der Napola, S. 55

[31] Bernett, Nationalsozialistische Leibeserziehung, S. 111

[32] Ebd., S. 107-111

[33] Bronner, Napola Rottweil, S. 24

[34] Ueberhorst, Elite für die Diktatur, S. 41

[35] Montanus, Die Putbusser, S. 46

[36] Vahl, Napola Schulpforta, S. 2

[37] Die genaue Bedeutung des Begriffes bleibt unklar. Vom Lateinischen ausgehend könnte eine Renn-/Laufbahn o.ä. gemeint sein, im Buch klingt es aber eher nach einem Campus/Hof.

[38] Montanus, Die Putbusser, S. 44

[39] Bronner, Napola Rottweil, S. 54

[40] Zum Beispiel bei Zempelin und Vahl

[41] Zempelin, Des Teufels Kadett, S. 105

[42] Bernett, Nationalsozialistische Leibeserziehung, S. 82f.

[43] Montanus, Die Putbusser, S. 90ff.

[44] Zempelin, Des Teufels Kadett, S. 105f. oder Montanus, Die Putbusser, S. 219

[45] Montanus, Die Putbusser, S. 268

[46] Vahl, Napola Schulpforta, S. 25

[47] Ueberhorst, Elite für die Diktatur, S. 251

[48] Zürker, Nationalsozialistische Leibeserziehung, S. 46

[49] Montanus, Die Putbusser, S. 252

[50] Vahl, Napola Schulpforta, S. 25f.

[51] Zempelin, Des Teufels Kadett, S. 112

[52] Benze, Deutsche Schulerziehung, S. 4ff. (zit. n. Bernett, S. 121)

[53] Hehlmann, Pädagogisches Wörterbuch, S. 280f. (zit. n. Bernett, S. 120)

[54] Bronner, Napola Rottweil, S. 58

[55] Montanus, Die Putbusser, S. 46

[56] Ueberhorst, Elite für die Diktatur, S. 238

[57] Zempelin, Des Teufels Kadett, S. 102

[58] Bronner, Napola Rottweil, S. 58

[59] Ebd., S. 60

[60] Der Jungmann [1. Jg, H.3/4], S. 85 (zit. n. Ueberhorst, S. 246)

[61] Montanus, Die Putbusser, S. 160

[62] Lübbert, Die körperliche Erziehung in den NPEA, S. 273ff. (zit. n. Ueberhorst, S.241)

[63] Der Jungmann [8. Kriegsnummer], S. 96 (zit. n. Ueberhorst, S.248)

[64] Zempelin, Des Teufels Kadett, S. 104

[65] Nečas, Die Nationalpolitischen Lehranstalten

[66] Weyrich, Napola, S. 6

[67] Bronner, Napola Rottweil, S. 52

[68] Karasek, Lernziel Schinderei, in: Die Welt oder Montanus, Die Putbusser, S. 82ff.

[69] Müncheberg, Geschichte der Geschichte

[70] Ueberhorst, Elite für die Diktatur, S. 238ff.

[71] Zürker, Nationalsozialistische Leibeserziehung, S. 43

[72] Montanus, Die Putbusser, S. 261

[73] Zempelin, Des Teufels Kadett, S. 42

[74] Vahl, Napola Schulpforta, S. 5

[75] Ebd., S. 35

[76] Zum Beispiel Motanus, Die Putbusser, S. 282

[77] Gädtke, Meine Reifeprüfung, S. 56

[78] Nayhauß-Cormons, Vom Mord der Nazis, S. 211

[79] Müncheberg, Geschichte der Geschichte

[80] Ueberhorst, Elite für die Diktatur, S. 238

[81] Zürker, Nationalsozialistische Leibeserziehung, S. 44

[82] Montanus, Die Putbusser, S. 251f.

[83] Zempelin, Des Teufels Kadett, S. 102

[84] Hitler, Mein Kampf, S. 451ff. (zit. n. Bernett, Nationalsozialistische Leibeserziehung, S. 22f.)

[85] Weyrich, Napola, S. 36

[86] Karasek, Lernziel Schinderei

[87] Nayhauß-Cormons, Vom Mord der Nazis, S. 204

[88] Montanus, Die Putbusser, S. 189

[89] Ristau, Sport und Sportmedizin, S.154

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Literatur:

- Bernett, Hajo: Nationalsozialistische Leibeserziehung. Eine Dokumentation ihrer Theorie und Organisation. Schorndorf, 1966.

- Bronner, Marina: Die Napola Rottweil – eine fachwissenschaftliche Untersuchung mit Überlegungen zur Umsetzung im Schulunterricht [Wissenschaftliche Hausarbeit]. Weingarten, 2009.

- Fröhlich, Elke: Die drei Typen der nationalsozialistischen Ausleseschulen. In: Leeb, Johannes: „Wir waren Hitlers Eliteschüler“. Ehemalige Zöglinge der NS-Ausleseschulen brechen ihr Schweigen. Hamburg, 2004.

- Gädtke, Ernst-Christian: „Meine Reifeprüfung der anderen Art“. In: Leeb, Johannes: „Wir waren Hitlers Eliteschüler“. Ehemalige Zöglinge der NS-Ausleseschulen brechen ihr Schweigen. Hamburg, 2004.

- Montanus, Klaus: Die Putbusser - Kadetten unter dem Hakenkreuz. Ein Napola-Schüler erzählt. Frankfurt/Main, 1995.

- Nayhaus-Cormons, Mainhardt: „Vom Mord der Nazis an meinen Vater erfuhr ich erst nach dem Krieg“. In: Leeb, Johannes: „Wir waren Hitlers Eliteschüler“. Ehemalige Zöglinge der NS-Ausleseschulen brechen ihr Schweigen. Hamburg, 2004.

- Schneider, Christia/Stillke, Cordelia/Leineweber, Bernd: Das Erbe der Napola. Versuch einer Generationsgeschichte des Nationalsozialismus. Hamburg, 1996.

- Ueberhorst, Horst: Elite für die Diktatur. Die Nationalpolitischen Erziehungsanstalten 1933-1945. Ein Dokumentarbericht. Düsseldorf, 1980.

- Vahl, Hartmut: Napola Schulpforta 1943-45. Erinnerungen eines Schülers. Hamburg, 2000.

- Weyrich, Franz Günther: Napola – Elite für den Führer. Begleitheft. München, 2005.

- Zempelin, Hans Günther: Des Teufels Kadett. Napola-Schüler von 1936 bis 1943. Gespräch mit einem Freund. Frankfurt am Main, 2001.

- Zürker, Ramona: Nationalsozialistische Leibeserziehung. Eine Analyse der Hintergründe und eine didaktische Aufbereitung für den Geschichtsunterricht [Staatsexamensarbeit]. Hamburg, 2015.

 

Internet:

- Karasek, Hellmuth: Lernziel Schinderei. In: Die Welt (11.01.2015).

URL: http://www.welt.de/print-welt/article363254/Lernziel-Schinderei.html [abgerufen am 09.02.16]

- Müncheberg, Hans: Die Geschichte der Geschichte. In: Der Freitag (14.01.2005).

URL: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/die-geschichte-der-geschichte [abgerufen am 09.02.16]

- Nečas, Václav: Die Nationalpolitischen Lehranstalten und deren Schüler. Brünn, 2008.

URL: http://is.muni.cz/th/183912/pedf_b/bakalarka1.txt [abgerufen am 09.02.16]

- Ristau, Jörn-Arne: Sport und Sportmedizin im nationalsozialistischen Deutschland. Entwicklung und Gestaltung einer Fachdisziplin unter besonderer Berücksichtigung der Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin [Dissertation].Templin, 2013.

URL: http://www.diss.fuberlin.de/diss/servlets/MCRFileNodeServlet/FUDISS_derivate_ 000000012589/Dissertation_gesamt_online.pdf [abgerufen am 10.02.16]

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